Antwort an MEP Karas zur Eu-Copyright-Richtlinie

by , on
last update by Peter Ludikovsky, on

Dieser Text wurde an Dr. Karas, seines Zeichens Delegationsleiter und Spitzenkandidat der ÖVP zur EU-Parlamentswahl 2019, ebenfalls auf Totholz übermittelt. Damit aber alle nachvollziehen können woher meine Einstellung zu #NiemalsÖVP bzw. #NieWiederÖVP und #UndAuchNichtDieFPÖ kommt (mal nur aufs Digitale bezogen), wird er hier in voller Länge wiedergegeben. Aus diesem Grund sind auch die Links und Verweise als Fußnoten geschrieben.

Wer die originale Stellungname lesen möchte findet hier das PDF im Original, bzw. hier die Abschrift, da das Original ein Bilder-Scan eines Briefes ist.

Nachahmer sind herzlich eingeladen!


Sehr geehrter MEP Dr. Karas M.B.L.-HSG!

Dieser Brief nimmt Bezug auf Ihre Stellungnahme zur Abstimmung zur „EU-Copyright Richtlinie“1 von 26. März 2019, elektronisch übermittelt am 27. März 20192. Hier möchte ich nun auf Ihre Argumente näher eingehen.

Zuerst möchte ich festhalten, dass niemand ernsthaft bestreiten würde, dass das Urheberrecht dringend überarbeitet werden muss, und auf europäischer Ebene vereinheitlicht. Leider schafft der vorliegende Text keines von beidem.

Ihr erster beantworteter Punkt war „Sollen Online-Plattformen haftbar gemacht werden?“. Darin nehmen Sie Bezug auf Artikel 13 (Artikel 17 nach der neuen Zählung), in dem es um die verpflichtende Kontrolle auf rechtmäßigen Upload von potentiell urheberrechtlich geschützten Daten geht, und argumentieren dieses ernsthaft mit dem Livestream des Terroristen von Christchurch und pädophilen Videos auf YouTube. Hier muss ich bereits das erste mal an Ihrem Rechtsverständnis zweifeln, denn beide Beispiele

  1. sind unter bereits jetzt gültigem Recht verfolg- und strafbar
  2. stellen keine urheberrechtswidrige Verbreitung dar, sondern wäre (wenn nicht illegal) ihrerseits durch das Urheberrecht bereits geschützt

Dazu argumentieren Sie mit angeblichen Kindervideos, in die Suizid-Anleitungen geschnitten sind. Eine kurze Recherche im Internet hätte allerdings schnell gezeigt, dass es sich dabei um sogenannte „Fake News“ handelt3:

Mehrere Seiten und Experten, auch wir, sind der Ansicht, dass es sich dabei um einen viralen Hoax handelt. In jüngster Zeit sind keine Vielzahl jener Videos aufgetaucht, allenfalls Nachahmer sind nun zu finden. Einziger Beweis ist ein Ausschnitt eines Videos, ein vermehrtes Auftauchen von Videos mit Momo-Inhalten konnte aber bisher nicht nachgewiesen werden.

Ich stimme Ihnen zu dass Plattformen aller Art (nicht nur Online) stärker in die Pflicht genommen werden sollten gegen illegale Kopien vorzugehen. Allerdings bin ich, im Gegensatz zu Ihnen, nicht der Meinung dass die Rechtsdurchsetzung dazu vom Staat auf private Unternehmen abgewälzt werden sollte, mit zusätzlichen Strafen falls diese Durchsetzung nicht vollumfänglich ist.

Im zweiten Punkt versuchen Sie zu erklären, welche Plattformen betroffen sind, und Sie halten die Definition „Online-Inhaltsweitergabedienst“ für ausreichend, und dass davon nur große Plattformen mit Profitabsicht betroffen sind. Auch hier muss ich aufs heftigste Widersprechen, denn diese Definition umfasst praktisch jeden Dienst im Internet, inklusive E-Mail-Anbietern und Internet Service Provider. Zum Vergleich, ein „Offline-Inhaltsweitergabedienst“ wäre jeder Paketdienst und die Post, welche mit einem vergleichbaren Gesetz gezwungen wären jeden Brief und jedes Paket auf Markenplagiate zu kontrollieren, und diese gegebenenfalls unter Strafandrohung zurückzuschicken.

Im dritten Punkt schreiben Sie zu den sogenannten „Upload-Filtern“, also der automatisierten Erkennung von Urheberrechts-Verletzungen, dass die Erkennung der definierten Ausnahmen „herausfordernd“ sein wird, und es eine Meldestelle für Overblocking geben muss. Spätestens hier wird klar dass Sie selbst nicht die Expertise zu dem Thema haben und entweder – genau wie Ihr Fraktionskollege Axel Voss4 – keine Experten konsultiert haben, oder – wesentlich schlimmer – deren Eingaben zugunsten der Lobby-Meinung ignoriert haben. Denn erstens ist es so, dass durch die automatische Erkennung eigentlich die menschliche Komponente ersetzt werden sollte. Und zweitens gibt es regelmäßig Fälle in denen vor Gericht gestritten wird ob etwas Kunst, Karikatur, Medienkritik, … ist oder nicht, weil das Themenfeld zu komplex und verschachtelt ist als das eine eindeutige Klassifizierung möglich ist.

Spätestens in der Beantwortung des Punktes „Was geschieht mit kleinen und mittleren Unternehmen?“ kommen Fragen an Ihrer Qualifizierung als EU-Parlamentarier auf. Hier verkünden Sie voll Stolz eine Übereinkunft mit Ihrem Parteikollegen BM Blümel dass bei der nationalen Umsetzung eine Ausnahme für KMUs geschaffen werden soll. Leider verkennen Sie beide dabei dass dies in europäischem Kontext komplett irrelevant ist, da es ohne weiteres möglich ist einen österreichischen Kleinunternehmer nach französischem Recht in Paris zu verklagen, oder es ist eine vorsätzliche Nebelgranate um die bisherige Stammwählerschaft bis nach der Wahl zu beruhigen.

Und schließlich zum Abschluss Punkt 5 Ihrer Beantwortung, das Leistungsschutzrecht. Hier bringen Sie das Argument dass nicht-lizenzierte Pressefotos zu Layout und grafischer Gestaltung beitragen. Nun, erstens fallen mir hierzu keine Plattformen ein, bei denen dies tatsächlich ein essentielles Element wäre, zweitens wird das Vorschaubild üblicherweise nicht von der Plattform, sondern – über spezielle Marker – vom Verlag bzw. der Redaktion gewählt, und drittens greift für Vorschaubilder genau so das Urheberrecht wie für alles andere. Nur dass im Artikel 11 (15) nicht nur Bilder erfasst werden, sondern vor allem Textteile. Wörtlich5

Die in Unterabsatz 1 vorgesehenen Rechte gelten nicht für die Nutzung einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge aus einer Presseveröffentlichung

wobei nicht definiert wird was ein solcher kurzer Auszug sein soll. Das bedeutet, dass im schlimmsten Fall dieser Passus bereits verhindern kann eine wichtige Passage mit dazugehörigem Kontext zu zitieren, auch wenn dies gedacht ist den/die Leser’in zur Lektüre des jeweiligen Textes zu bringen.

Sie schließen damit, dass noch viel zu tun ist um die Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, und dass Sie jetzt „einen tiefgehenden Dialog mit den Internet-Userinnen und Usern, Kulturschaffenden, wie der Kreativwirtschaft starten“ wollen. Und spätestens an diesem Punkt fühle ich mich als Internet-User von Ihnen und Ihrer Partei auf ganzer Linie verhöhnt. Anstatt den Dialog schon davor zu suchen betreiben Sie nun Symbol-Politik wenn es bereits zu spät ist noch etwas konstruktiv zu ändern. Sie haben nicht auf die Änderungsvorschläge reagiert, die die kritischen Artikel 11-13 zumindest entschärft hätten. Sie haben nicht auf mehr als 5 Millionen EU-Bürger6 gehört, die gegen Artikel 11 und 13 unterschrieben haben. Sie haben nicht auf mehr als 170.000 bis 200.000 größtenteils junge EU-Bürger gehört, die ihre Stimme auf die Straße getragen haben7. Sie haben nicht einmal auf den Experten für Meinungsfreiheit der UN gehört, der in Artikel 13 eine Gefahr für den freien Austausch von Meinungen sieht8. Sie haben es mit den schwammigen Formulierungen und Verweise auf eine unkonkrete technische Hoffnung nicht einmal geschaft, die bisherige Rechtsunsicherheit zu verbessern. Sie haben es nicht geschafft eine tatsächlich EU-weit einheitliche Regelung zu schaffen, da zum Beispiel die Panoramafreiheit, also die Urheberrechtliche Regelung von Architektur, mit der neuen Richtlinie nicht angegriffen wird.

Sie haben es noch nicht mal geschafft mit dieser Richtlinie tatsächlich die großen Plattformen ernsthaft anzugreifen, da diese – im Gegensatz zu den meisten europäischen Firmen – bereits über die Technologie zur umfassenden Filterung verfügen. Die meisten Firmen in Europa werden allerdings nicht die Millionen & Arbeitsjahrzehnte einfach zur Verfügung haben, um diese ebenfalls implementieren zu können, und damit vor 2 Möglichkeiten stehen:

  1. Die Filter gegen viel Geld bei den US-Amerikanischen Konkurrenten einkaufen
  2. Sämtliche Nutzer-Inhalte sperren, was bei vielen einen Verlust des Geschäftsmodells bedeutet

Nehmen wir nur mal das österreichische Vorzeige-Startup, Runtastic. Die Plattform ist Gewinn-orientiert, existiert seit mehr als 3 Jahren, und macht mehr als 10 Millionen Euro Jahresumsatz. Außerdem lebt sie unter anderem davon dass sich Nutzer untereinander vernetzen können. Damit wird es notwendig jeden Upload, sei es eine audiovisuelle Aufnahme während eines Laufes oder ein gegenseitiges Anfeuern über Text, durch den Filter zu schleusen, den es könnten ja urheberrechtlich geschützte, nicht-lizenzierte Lieder, Texte, oder Bilder dabei sein. Daneben kann ein Unternehmen, dessen Markt hauptsächlich in den USA liegt, sich einfach vom europäischen Markt zurückziehen.

Statt dessen haben Sie die Geschäftspraktiken von Verlagen aus dem vergangenem Jahrhundert in Recht festgeschrieben, ohne dabei die aktuellen Entwicklungen einzubeziehen. Sie haben es geschafft, dass diese weiterhin nicht dazu gezwungen sind sich an die modernen Gegebenheiten anzupassen. In diesem Sinne sind Sie und Ihre Parteikollegen nicht Konservativ sondern einfach nur Rückständig.

Daneben haben Sie es geschafft Hunderttausende junge Menschen, viele davon Erstwähler, zu enttäuschen. Sie haben ihnen gezeigt dass es möglich ist eine Bewegung mit viel Energie und Motivation aufzubauen, und trotzdem von der Politik ignoriert zu werden. Hier haben es Ihre Kollegen von der FPÖ taktisch klug gewählt sich der Stimme zu enthalten, denn diese können nun sagen dass ja die EU Schuld ist, denn sie hätten ja nicht dafür gestimmt. Diese können nun behaupten, sie hätten sich der Stimme enthalten weil sie die Sorgen der Bürger ernst genommen hätten, während „die da oben“ gegen die Menschen und für die Lobbyisten gestimmt haben.

Ich mache mir keine Sorgen um das Internet an sich. Wir werden uns anpassen, wir werden um die Zensur wie um jeden anderen Fehler bei der Datenübertragung umgehen. Aber es wird uns schwer fallen die jungen von den Kreide fressenden Opportunisten fernzuhalten, die die EU am liebsten zerstört sähen.

Ich hoffe Ihnen als „glühendem Europäer“9 war es das Wert.

Mit freundlichen Grüßen,
Peter Ludikovsky

P.S.: Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass dieser Text zeitgleich zum Versand als offener Brief auf meinem Blog unter https://ludikovsky.name/blog/karas-eu-copyright.html veröffentlicht wird, zusammen mit einer Abschrift Ihrer Stellungnahme.


  1. Richtlinie (EU) …/2019 des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG

  2. Beigelegt

  3. https://www.mimikama.at/allgemein/hysterie-um-die-momo-challenge-und-peppa-pig-videos/

  4. Mitschnitt: Pressekonferenz zum EU - Urheberrecht 21.03.2019, Europäisches Parlament in Deutschland: https://youtu.be.com/UTlIwwJsrdk?t=3119

  5. Konsolidierte Fassung vom 20. März 2019 https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2018-0245-AM-271-271_DE.pdf

  6. https://www.change.org/p/stoppt-die-zensurmaschine-rettet-das-internet-uploadfilter

  7. https://netzpolitik.org/2019/demos-gegen-uploadfilter-alle-zahlen-alle-staedte/

  8. „Misplaced confidence in filtering technologies to make nuanced distinctions between copyright violations and legitimate uses of protected material would escalate the risk of error and censorship. Who would bear the brunt of this practice? Typically it would be creators and artists, who lack the resources to litigate such claims.“ https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=24298&LangID=E

  9. https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5565072/Spitzenkandidat_OeVP-geht-mit-Karas-und-Edtstadler-in-die-EUWahl