Schreiben von Othmar Karas zur Copyright-Richtline

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Sehr geehrte Damen und Herren!

In den letzen Tagen und Wochen haben wir jeweils über 2.000 E-Mails zur Abstimmung über die Einigung zwischen den Mitgliedsstaaten und dem Europaparlament zur Copyright-Richtlinie erhalten. Danke, dass auch Sie mir geschrieben haben. Natürlich habe ich auch viele Telefonate und persönliche Gespräche geführt. Aus Interesse und weil ich mir der Sensibilität des Themas bewusst war und bin.

Leider haben sich in allen Gruppen Emotionen aufgeschaukelt, Extrempositionen und Befürchtungen wurden formuliert sowie zu oft eine verletzende Wortwahl gewählt. Diesen Politikstil lehne ich ab, weil er die europäische Demokratie gefährdet und weil mir jede Meinung wichtig ist. In einer der vielen Besprechungen mit meinem Team habe ich bewusst aus dem Buch „Nervöse Zeiten“ von William Davies zitiert:

„Anstatt zu beklagen, dass sich in der Politik Emotionen breitmachen, müssen wir die Fähigkeit von Demokratie wertschätzen, Ängsten, Kummer und Besorgnissen eine Stimme geben, die sonst in weitaus destruktivere Bahnen gerieten. Wenn wir durch die neuen nervösen Zeiten navigieren und jenseits von ihnen etwas Stabileres wiederentdecken wollen, müssen wir sie vor allem verstehen.

Gerne möchte ich daher nun konkret zur Abstimmung am 26. März 2019 im Europaparlament Stellung nehmen:
In der aktuellen Debatte ist leider sehr stark untergegangen, dass das aktuelle Urheberrecht für das Internet auf einer Rechtsbasis aus den Jahren 2000 und 2001 fußt. Die Entwicklungen der letzten 20 Jahre haben aufgezeigt, dass die Grundlagen, den aktuellen Anforderungen nicht gerecht werden. Es geht um Schutz von Eigentum, das gilt auch für das geistige Eigentum. Es geht um Fairness: Um Fairness bei der Entlohnung von Menschen, die kreative Inhalte schaffen. Nicht nur im analogen, sondern auch in der digitalen Welt. „Wir alle leben mit der digitalen Revolution. Wir wollen sie gestalten, nicht verhindern. Urheberinnen und Urheber müssen fair bezahlt werden. Auch das Netz braucht Regeln. Es gibt keine Freiheit ohne Regeln.“ (MEP Helga Trüpel, Grüne/EFA)

Dass urheberrechtlich geschützte Inhalte ohne Genehmigung einfach ins Internet gestellt werden können und daraus Profit gemacht werden kann, wird Kreativschaffenden nicht gerecht.
„Der Schutz des geistigen Eigentums ist eine Frage der Gerechtigkeit, die Herstellung gleicher Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer eine Notwendigkeit. Es geht um fairen Wettbewerb und Grundprinzipien, die für alle gelten müssen.“ (Mag. Gernot Blümel, Medienminister)

Nach landem Abwägen und vielen internen Diskussionen haben wir uns entschieden das Verhandlungsergebnis zwischen dem Europäischen Parlament und den Mitgliedsstaaten mitzutragen. Während wir viele der an uns herangetretenen Bedenken nachvollziehen können und in unseren Abwägungen berücksichtigt haben, sind wir zur Schlussfolgerung gekommen, dass mit dem Richtlinientext ein Kompromiss in die richtige Richtung gefunden werden konnte.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die mir gestellten Fragen nachstehend eingehen:

1) Sollen Online-Plattformen haftbar gemacht werden?
Bei der Frage um Artikel 13 ging es darum, ob die aktuelle Rechtssituation ausreicht, wenn Online-Plattformen keinerlei Verantwortung übernehmen müssen für die Inhalte, die von Nutzern auf diesen hochgeladen werden. Bei diesen Überlegungen spielte nicht nur die Frage nach Urheberrechtsverstößen eine Rolle. Der Umstand, dass 17 Minuten lang ein furchtbares Massaker auf Facebook live gestreamt werden kann, dass auf YouTube Videos mit pädophilen Inhalten im rechtlichen Graubereich hochgeladen werden können oder dass sich auf YouTube Zeichentrickvideos befinden, in denen plötzlich in der Mitte dieser Anleitungen zum Suizid gegeben werden, ist nicht nur höchstgradig verstörend, sondernzeigt, dass die Regelungen von 2000 und 2001 nicht mehr ausreichen.

Wir halten es daher für gerechtfertigt, dass große aktive Online-Plattformen nicht zulassen sollen, dass Inhalte hochgeladen werden, für die Rechteinhaber niemals eine Genehmigung erteilt haben. Daher sieht Artikel 13 der Urheberrichtlinie (nunmehr Artikel 17) vor, dass Online-Plattformen, auf denen große Mengen von urheberrechtlich geschützten Inhalten von Nutzern hochgeladen werden, sicherstellen müssen, dass diese Inhalte entweder lizenziert werden oder nicht verwendet werden dürfen. Die Plattform kann aber nur dann hierfür haftbar gemacht werden, wenn sie auch über die urheberrechtlich geschützten Inhalte zuvor informiert wurde. Erfolgt eine derartige Information vom Rechteinhaber nicht zuvor, kann und wird die Plattform auch nicht haftbar gemacht, sollten jemals urheberrechtlich geschützte Inhalte von einem Rechteinhaber auf dieser hochgeladen werden.

2) Welche Plattformen sind nun betroffen?
Viele Sorgen bezüglich der Richtlinie bestehen hinsichtlich der Frage, welche Plattformen nun davon betroffen wären. Wir halten die Rechtsdefinition von „Online-Inhaltsweitergabedienst“ für ausreichend. Sie stellt sicher, dass es ausschließlich um jene Plattformen geht, auf denen große Mengen von urheberrechtlich geschützten Inhalten von Nutzern hochgeladen werden und diese Inhalte von den Plattformen organisiert und zum Profitgewinn vermarktet werden. Bei der Frage, ob diese Plattformen von Rechteinhabern haftbar gemacht werden können, muss auch berücksichtigt werden, welche Art von Geschäftsmodell eine solche Plattform verfolgt, welches Nutzerpublikum sie hat und welche Art von urheberrechtlich geschützten Inahlten auf dieser Plattform normalerweise hochgeladen werden. Damit haben wir eine enge Eingrenzung, die auch sicherstellt, dass eine Plattform nicht für absolut jegliche Form von urheberrechtlich geschützten Inhalten belangt werden kann. Zahlreiche unterschiedliche Geschäftsmodelle und Arten von Plattformen wie Online-Enzyklopädien, Cloud Services Online-Marktplätzen fallen nicht in diesen Geltungsbereich und sind davon explizit ausgenommen.

3) Wie sollen „Upload-Filter“ funktionieren?
Ein zentraler Kritikpunkt an der Richtlinie liegt in den sogenannten „Upload-Filtern“, d.h. in Technologien, die urheberrechtlich geschützten Inhalten erkennen sollen. Die Richtlinie schreibt explizit Ausnahmen vom Urheberrecht zum Zweck von Zitaten, Kritik, Rezensionen wosie Karikaturen, Parodien und Pastiches vor. Die technische Machbarkeit und die Möglichkeit für einen klar definierten Rechtsrahmen auf nationaler Ebene sehe ich für den Zweck von Zitaten, Kritik und Rezensionen klar gegeben. Ich teile die Auffassung, dass die erkennung von Karikaturen und Parodien herausfordernder sein wird - sehe hier aber trotzdem die Möglichkeit zur Ausarbeitung klarer Leitlinien, wie in der Richtlinie vorgesehen, sowie die technische Umsetzbarkeit (Erkennung von eingebetteten Text auf Bildern, Untertitel bei audiovisuellen Inhalten, etc.). Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass aber auch Inhalte gefiltert werden können, die keinerlei Urheberrechtsverstoß darstellen. Für diese Fälle ist jedoch die Verpflichtung vorgesehen, dass Online-Plattformen einen Beschwerdemechanismus einsetzen sollen, bei der beanstandetes Overblocking menschlich kontrolliert werden muss.

4) Was geschieht mit kleinen und mittleren Unternehmen?
Der Richtlinietext sieht anders als die im Plenum angenommene Version im September keine explizite KMU-Ausnahme vor. In Rücksprache mit Bundesminister Blümel ist mir in Aussicht gestellt worden, dass bei der nationalen Umsetzung sichergestellt werden soll, dass KMU nicht in die Rechtsdefinition der österreichischen nationalen Umsetzung fallen werden. Hier ist die rechtliche Möglichkeit gegeben dies klar und eindeutig im ZUge der nationalen Umsetzung der Definition von „Online-Inhaltsweitergabediensten“ zu vollziehen. „Große Mengen“ an urheberrechtlich geschützten Inhalten, die auf solche Plattformen von Nutzern hochgeladen werden, sind in der Richtlinie nicht quantifiziert - dies wird der nationalen Umsetzung überlassen. Das Ziel ist und muss sein, dass die heimische IT-Industrie Rechtssicherheit hat.

5) Wie soll Artikel 11/ (nunmehr Artikel 15) zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage umgesetzt werden?
Auch haben viele Anfragen das Leistungsschutzrecht betroffen. Hier halte ich es für notwendig zwischen zwei Bereichen zu unterscheiden. Die Verwendung von nicht lizenzierten Pressefotos auf Online-Plattformen bei Vorschau-Erstellung, die durchaus zum Layout und grafische Gestaltung der Online-Plattform beitragen, halte ich für nicht gerechtfertigt. Artikel 11 bzw. nun Artikel 15 stellt sicher, dass dies nihct mehr ohne Lizenzierung möglich sein soll. Bei der Möglichkeit zur Lizenzierung von Presseinhalten in Aggregatoren halte ich es nicht für falsch Presseverlagen zumindest die Möglichkeit einzuräumen hierfür eine Lizenzierung zu verlangen. Wenn ein Aggregator diese Lizenzierung nicht erwerben möchte, werdne die Suchergebnisse jener Presseverlage schlicht nicht mehr angezeigt. Alternativ würden Aggregatoren jene Ergebnisse listen, für die freie Lizenzen von Presseverlagen vergeben werden. Die Presseverlage können und müssen dann selbst entscheiden, ob und inwiefern sich die Forderungen nach einer Lizenzierung für sie rentiert.

Es ist noch viel zu tun, damit die Rechtsunsicherheit beseitigt, KMU ausreichend berücksichtigt und eine klare Umsetzung garantiert werden kann. Die beginnenden Vorbereitungen der Umsetzung in den Mitgliedsstaaten in den nächsten beiden Jahren bietet dafür eine Möglichkeit.

Mit Medienminister Mag. Gernot Blümel und der Präsidentin der Politischen Akademie Mag. Bettina Rausch habe ich vereinbart, dass diese einen tiefgehenden Dialog mit den Internet-Userinnen und Usern, Kulturschaffenden, wie der Kreativwirtschaft starten werden. Ziel ist es einerseits aus den Erfahrungen, Missverständnissen, Fehlern im Umgang miteinander und unterschiedlichen Zugängen zu lernen. Andererseits ist es wichtig die nationale Umsetzungsvorbereitungen zu begeleiten und den digitalen Binnenmarkt (E-commerce-Richtlinie/ Herbst 2019) weiterzuentwickeln.

Die Freiheit des Internets ist durch die neue Richtlinie nicht in Gefahr. Userinnen und User werden für etwaige Urheberrechtsverstöße nicht haftbar gemacht. In Zukunft haften die Plattformen.

Ich ersuche Sie, und un mich, bei der Umsetzung bei unseren Dialogveranstaltungen in der Politischen Akademie und der Schaffung einens digitalen Binnenmarktes zu begleiten.

Mit besten Grüßen,

MEP Dr. Othmar Karas M.B.L.-HSG