Dieser Eintrag ist ursprünglich als Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2017 entstanden. Die dort veröffentlichte Version findet sich hier.
Jeder von uns verwendet täglich das sogenannte SI-System, auch wenn vielleicht wenige dabei daran denken. Aber wer abnehmen will muss auf die Joule achten, ein Kilogramm zu viel bringt manchen ins schwitzen, und ein paar Grad Celsius machen den Unterschied zwischen Weste und T-Shirt. Dabei ist das ganze System, das (fast) jede physikalische Einheit definieren kann, auf gerade mal 7 Basiseinheiten aufgebaut:
- Länge in Meter
- Masse in Kilogramm
- Zeit in Sekunden
- Stromstärke in Ampere
- Temperatur in Kelvin
- Stoffmenge in Mol
- Lichtstärke in Candela
Dabei wird (fast) jede Einheit über Naturkonstanten definiert, der Meter zum Beispiel über die Lichtgeschwindigkeit, oder die Sekunde über die Schwingungen des Cäsium-Atoms.
Jetzt habe ich aber 2x mit „fast“ relativiert. Das hat den Grund, dass das Kilogramm noch immer nur über einen Prototypen, das Urkilogramm, definiert ist. Hier wird aber derzeit an einer Neudefinition gearbeitet, einmal über die Stoffmenge einer hochreinen Siliziumkugel (Avogadroprojekt), und einmal über eine hochpräzise, selbstkorrigierende Waage (Watt-Wage), die auch gleich den genauen Wert des Plankschen Wirkungsquantums feststellen können soll. Eine genauere Beschreibung hat der Kanal Veritasium auf YouTube veröffentlicht:
Was aber das System besonders interessant macht ist die Tatsache, dass man damit alle definierbare Einheiten zueinander in Relation setzen kann, wenn man weiß wie. So definiert sich der Druck über das Kilogramm, den Meter, und die Sekunde. Die Leistung, z.B. eines Motors, wird in (Kilo)Watt angegeben, welches ebenfalls definiert ist durch Kilogramm, Meter, und Sekunden, nur in einer anderen Konstellation. Wie kann jetzt aber die Temperatur „springen“.
Beginnen wir mit einer Definition. Die meisten kennen sicher noch die alte Definiton der Kalorie, nämlich dass man mit einer Kalorie ein Gramm reines Wasser um 1 Grad Celsius erwärmen kann. „Alte Definition“ deshalb weil bereits 1948 beschlossen wurde, dass statt der Kalorie das Joule verwendet werden soll. Ein Joule ist dabei die Energie, die notwendig ist um 0,239 Gramm Wasser um 1 Grad Kelvin zu erwärmen. Wenn wir wissen wollen, wieviele Joule wir für 1 Gramm benötigen dividieren wir einfach: 1 ÷ 0,239 = 4,184. Das bedeutet dass 1 Kalorie gleich 4,184 Joule ist. Hochgerechnet auf 1 Liter = 1 Kilogramm Wasser braucht man also 4,184kJ oder 1kCal Energie (Verlustwärme mal aussen vor gelassen). Und ab jetzt kann man rechnen:
- Das Joule ist definiert als , also
- Wir wollen einfach mal den Liter Wasser – statt zu erwärmen – springen lassen, also müssen wir das Kilo durch Division herausbringen:
- Da wir (vermutlich) meistens auf der Erde herumspringen, müssen wir gegen die Erdanziehung ankämpfen, und damit die Fallbeschleunigung von 9,81 Meter pro Sekunde Quadrat herausrechnen:
- Und damit haben wir schon ein Ergebnis. Die Energie, die notwendig ist um 1 L Wasser um 1 °C zu erwärmen entspricht der Energie , die notwendig ist um den gleichen Liter 426,5m hochzuheben.
426,5m sind schon eine ordentliche Höhe. Das entspricht circa 2,7 Kölner Domen, oder einem Empire State Building (inklusive Antenne), oder einem halben Burj Khalifa. Unter der Annahme, dass das Wasser mit circa 20 °C aus der Leitung kommt, können wir also einen Liter Wasser zum kochen bringen, oder mit der gleichen Energie 34 Kilometer hoch heben, also fast 4 Mount Everests oder 1,5 Olympus Mons.
Was kann man daraus jetzt alles mitnehmen? Nun, erstens einmal wie cool eigentlich das SI-System ist, das man damit so einfach verschiedene Größen zueinander in Relation setzen kann. Mit der gleichen Methode könnte man auch errechnen wie stark eine Materie/Antimaterie-Annihilation ein Raumschiff mit definiertem Gewicht beschleunigen kann. Oder welcher Fläche eine Autobatterie mit 12kg und 12 Volt entspricht.
Vor allem aber kann man diese Überlegungen als Ausgangspunkt nehmen, um sich begreifbar zu machen, wieviel Energie wir eigentlich jeden Tag verbrauchen, die uns so vielleicht gar nicht auffällt. Zum Beispiel kann man ausrechnen, wie lange eine Autofahrt ein Haus heizen könnte. Mit den Angaben
- Auto
- Distanz: 100km
- Verbrauch: 6L/100km
- Motoreneffizienz: 40%
- Brennwert Benzin: 34,9MJ/L
- Haus
- Fläche: 100m²
- Heizbedarf: 100 kWh/(m² a)
lass ich das mal als Hausaufgabe stehen.